Gemeindebrief Oktober 2021
„Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit.
Du tust deine Hand auf und sättigst alles, was lebt, mit Wohlgefallen.“
Diese Worte aus Psalm 145,15 stehen über dem Erntedankfest, das wir nun miteinander feiern dürfen.
Ich überlegte etwas, erwarte ich tatsächlich etwas von Gott? Erwartungen haben wir ja recht viele. An die Politik, den Handwerker, die Kinder, Eltern oder Ehepartner.
Aber gegenüber Gott?
Wo Erwartungen nicht erfüllt werden, bin ich gewohnt selbst zu sorgen, nachzuhaken und Druck zu machen – wie zum Beispiel bei Ämtern. Vor Gott vielleicht sogar im Gebet! Das ist sicher nicht ganz falsch – denn Gott lässt sich ja bitten, so lesen wir es ja auch immer wieder, aber sicher keinen Druck von unseren Erwartungen her machen. Schon von daher lesen wir wohl auch im Psalm „du gibst ihnen ihre Speise“ – und ich ergänze einmal: ebenso alles andere – „zur rechten Zeit.“
Hier, schätze ich, haben wir vielleicht das größere Kompatibilitätsproblem mit Gott. Erwartungen an ihn dürfen und sollen wir haben – ja sogar das Grundsätzlichste und Alles von ihm erwarten.
Geduld aber im „Erwarten“ aufzubringen, das fällt uns schwer. Aber es steckt das „warten“ im „Erwarten“. In den Psalmen ist oft vom „harren“ die Rede. Das ist uns fremd geworden in einer Zeit, wo man in den Geschäften in Auswahl und Überfülle alles kaufen kann. Ganz unabhängig davon, was auf den Feldern ums Dorf gewachsen ist. Und wo ich innerhalb von 24 Stunden fast alles bestellen und auch bekommen kann. Gut, nun gab und gibt es pandemiebedingt ein paar Engpässe und ungünstige Preisregulationen, aber keine grundsätzliche Not z. B. an Nahrung.
Warten auf Gott, Geduld haben und trotzdem in Erwartung bleiben für sein Handeln und seine Wege, das ist, glaube ich, ein wichtiges Übungsfeld des Glaubens. Denn mit Gott können und sollen wir rechnen.
Aber Gott lässt sich von uns aus nicht verplanen und berechnen!
So ist die Herausforderung des Glaubens, dass wir an seiner Treue und größeren Weisheit festhalten, auch wo sich nicht alle meine Erwartungen erfüllen.
Es kann durchaus Sorgen und Nöte geben, die sich nicht gleich lösen oder sogar wiederkehren.
Oder Gottes Zeitplan tickt auch manchmal anders als unserer. Hier trotzdem weiter festzuhalten und das auch auszuhalten, das wünsche ich uns, wenn wir mit dem Erntedankfest in das letzte Drittel des Jahres hineingehen.
Übrigens ja auch hier in Erwartung – Ewigkeitssonntag, Advent und das Weihnachtsfest. Weil wir nun schon gerade dabei sind; Ewigkeit Advent? Hatte das nicht auch mit der Erwartung zu tun ? - der Erwartung der Wiederkunft von Jesus aus seiner himmlischen Wirklichkeit hinein in unsere Welt und Zeit. Erwarten wir noch, dass Jesus wirklich kommt? „Maranatha“– Unser Herr komm“, lesen wir schon in der Offenbarung und es wurde zum Gebetsruf der alten Kirche.
Ja, Herr Jesus komm! Kann ich so bitten? Dass Jesus doch kommt mit seinem Reich und seiner Herrlichkeit - dieses Jahr, morgen?
Wäre dir das zu schnell!? Warum? Es ist sicher gut, auch diese Erwartung neu zu entdecken. Neben den täglichen Dingen ist doch die Ewigkeit das Geschenk seines Wohlgefallens an uns. Eigentlich nicht sogar das noch Größere?
Mit den besten Grüßen
Ihr Pfr. Frank Dregennus
Erfolg – Nutzen – Frucht?
Der Monatsspruch für September lässt mich fragen: welche Rolle spielen für uns Erfolg, Nutzen, Frucht? Erfolg bemisst sich am Erreichen von Zielen. Was sind oder wären Ziele für die Gemeinde? Welche sind es jeweils persönlich? Worauf ist mein Handeln ausgerichtet und wofür setze ich meine Kraft ein? Der Nutzen bemisst sich nach dem Beitrag fürs Ganze – meine Spende für die Kirche; mein Engagement in der Gemeinde für das Gemeindeleben usw.; die Internetseite für die öffentliche Präsentation der Gemeinde bzw. ihre digitale Kommunikation.
Frucht wächst uns zu als Geschenk des Himmels. Wir machen sie nicht. Wir können und müssen gießen, damit Wachstum geschieht; wir zertreten und verhindern hoffentlich Wachstum nicht; und dabei muss man geduldig warten.
Im Monatsspruch fragt der Prophet Haggai seine Mitbewohner in Jerusalem und Juda: „Ihr sät viel und bringt wenig ein; ihr esst und werdet doch nicht satt; ihr trinkt und bleibt doch durstig; ihr kleidet euch und könnt euch doch nicht erwärmen; und wer Geld verdient, der legt es in einen löchrigen Beutel.“
Viel Aktivität, aber wenig Erfolg; viel Einsatz, aber wenig Nutzen; das viele sich Mühen bleibt fruchtlos. Es ruht kein Segen auf all dem fleißigen Tun.
Haggai beklagt: ihr macht eure Häuser schön, aber der Tempel ist noch immer eine Ruine. Ihr verbraucht eure Zeit für euch selbst und erlebt viel Vergebliches, statt Gott Raum zu geben mit dem Tempelbau, mit Gottesdienstfeiern, mit Hingabe.
Haggai wendet sich um das Jahr 520 v.Chr. an die in Jerusalem Wohnenden und vor allem die seit 538 v.Chr. aus Babylon nach Jerusalem Zurückgekehrten. Das ist sehr verständlich, dass man sich um sein Haus und Wohlergehen kümmert, dass man es sich gemütlich macht. Die Rückkehrerlaubnis durch Kyrus war verbunden mit dem Auftrag, den Tempel wieder aufzubauen. Dazu waren die bei der Eroberung Jerusalems 587 v.Chr. geraubten goldenen Tempelgerätschaften aus den Schatzkammern Babylons zurückgegeben worden. Aber da ging es nicht voran mit dem Tempelbau. Erst 515 v.Chr. dann sollte die Tempelweihe sein. Bei allem Verständnis also mahnt Haggai doch das fokussiert sein auf die eigenen vier Wände als Egoismus an und fordert auf zu mehr Gemeinsinn als auch Dankbarkeit Gott gegenüber, die im Tempelbau zum Ausdruck kommen soll, und eben Hingabe, die im Engagement für den Tempel gelebt werden möge.
Vergangene Zeiten? Mögen wir uns selber fragen: Wonach steht mir der Sinn? Mögen wir selbstkritisch ausschauen nach Erfolg, Nutzen und Frucht – wofür?
Schalom,
Ihr Pfarrer Christoph Weber