Gemeindebrief April / Mai 2023
Liebe Leser des Gemeindeblattes,
„Vom Eise befreit sind Strom und Bäche durch des Frühlings holden, belebenden Blick; im Tale grünet Hoffnungsglück; der alte Winter in seiner Schwäche zog sich in raue Berge zurück.“
Diese bekannten Verse aus Goethes Osterspaziergang laden ein, sich von der aufbrechenden Natur mitreißen zu lassen. Die graue Last des Winters wird abgelegt. Die kurzen, dunklen und eisigen Tage, die einen beschweren können, sind vorüber. Jetzt gibt die in neuem Leben erwachende Natur unserem Körper wie unserer Seele einen kräftigen Schub. Und es ist immer wieder faszinierend, wie das neue Leben voller Kraft aus den Knospen als Blumen und Blüten der Bäume, ja selbst dem frischen Grün des Grases hervorbricht.
Dass neues Leben in einer noch viel tieferen Dimension hervorgebrochen ist, daran erinnern wir uns an den bevorstehenden Ostertagen.
Auch hier wird zunächst eisige Dunkelheit überwunden. Jesus, Gottes Sohn, wird trotz seiner Zuwendung zu den Menschen von ihnen abgelehnt und schuldlos ans Kreuz geschlagen. Das geschah am Karfreitag.
Eines der letzten Worte von Jesus lautete: „Es ist vollbracht!“ (Joh 19,30)
Das bedeutet: Es ist vorbei - geschafft! Was ist vollbracht? Leid und Sterben beendet? Auch das, aber
vorbei ist durch seinen Tod vor allem unsere Not. Unsere Not, dass uns unsere Seele angesichts von Versagen, Ohnmacht und Schuld gegenüber Gott und Menschen belastet.
Eine Last, die uns selbst und unsere Beziehungen zerstört. Eine Last, die in dunklen Albträumen, vereisten Herzen, Unversöhnlichkeit und depressiver Ohnmacht sichtbar wird.
Am Kreuz von Golgatha befreit uns Jesus Christus von dieser Schuld- und Gewissenslast.
Er sagt: „Es ist vorbei.“ Und das heißt: Ich nehme dir diese Last ab. Du kannst im Glauben Vergebung empfangen. Und so darfst du befreit ein neues Leben beginnen und im Herzen Frieden, Zuversicht und Hoffnung finden. Ganz gleich, wie groß die Last ist oder wie alt du bist.
Sichtbar wurde das neue Leben am Ostermorgen, dem Morgen, an dem die unvergängliche, göttliche Welt in unsere endliche, irdische und vom Tod begrenzte Welt hineinbrach. Am Ostersonntagmorgen hat Gott der irdischen Macht des Todes seine himmlische ewige Macht im auferstandenen Jesus Christus für alle Welt sichtbar entgegengestellt. So feiern wir im Osterfest die Mitte und den Kern unseres Glaubens.
Gleich doppelt dürfen wir deshalb an Ostern aufatmen. Unsere Seele wird befreit und entlastet und neues ewiges Leben wird uns versprochen. Und auf Ostern folgt ja das Pfingstfest. Das Fest des Geschenkes des Heiligen Geistes. Mit Flammen vom Himmel begann es in der ersten Gemeinde: Feuer, das im ganzem Gegensatz zum Eis steht. Gottes Liebe, die sich hingibt und verzehrt, wie wir in Jesus gesehen haben, Liebe, die aber auch uns begeistern und entflammen will, die gute Nachricht (das Evangelium) weiterzugeben. Das traust du dir nicht zu? Jesus spricht von der Kraft und dem Beistand Gottes, wenn er von seinem Geist spricht, den er schenken will. Auch noch heute!
Die Zusagen der Freude, der Hoffnung und Kraft Gottes reichen nicht nur über den Sommer bis zum nächsten Winter, sondern hier wird uns durch Gott eine Dimension eröffnet, die unser ganzes Leben in eine völlig neue Perspektive und Zusammenhang stellt.
Worin diese Perspektiven bestehen und was Gott uns noch alles verspricht und zusagt, das wollen wir in unseren Gottesdiensten, Bibelgesprächen und Gemeindekreisen miteinander entdecken, festhalten und möglichst auch weitergeben – gerade in einer Zeit, die von so vielen Sorgen, Katastrophenmeldungen und Unsicherheiten bestimmt ist, dass einem „das Blut in den Adern gefrieren kann.“ Lassen Sie sich einladen, neu auf die Mitte unseres Glaubens zu sehen, der uns doch das Leben zuspricht!
Mit herzlichen Grüßen -
Ihr Pfarrer Frank Dregennus
Gemeindebrief Februar / März 2023
Sehen und gesehen werden -darum dreht sich schon im Alltag alles. Unser Auftreten, die Frisur, das Styling, das Auto, die sozialen Medien. Klar, jeder soll doch sehen, wer ich bin und was ich kann, was ich vermag oder mir leisten kann! So ist das, wenn alles gut läuft.
Dann gibt es aber auch Lebensabschnitte, -bereiche, die soll lieber keiner sehen. Dort, wo etwas schief läuft, peinlich ist oder nicht in das allgemeine Bild von Erfolg, gutem Ansehen passt, der frommen „heilen Welt“. Selbst Glaube, habe ich den Eindruck, muss doch sichtbar, vorzeigbar oder erfolgreich sein?
Umstände, die uns so sehr bedrängen, dass sie uns zum Davonlaufen drängen? Geht das? Darf das sein?
In der Geschichte von Hagar, die ja untrennbar zur Jahreslosung gehört, ist grad alles zum Davonlaufen.
Nachzulesen im 1. Buch Mose Kapitel 16. Es ist und geht Hagar so schlecht, dass sie tatsächlich davonläuft – weg, einfach nur weg!
Schwanger ist sie von Abraham, als Sklavin kaum freiwillig, gemobbt von Sarah, ihrer Herrin, die sie vorher ja erst als Leihmutter zu Abraham geschickt hat. Freilich ist sie in ihrem Stolz über Sarah über die ihr geschenkte und Sarah bisher nicht mögliche Schwangerschaft auch schuld an der ganzen Situation, die nun eskaliert.
Solche sehr menschlichen Katastrophengeschichten sind wohl jedem schon mal begegnet. Vielleicht steckst du auch grad in einer drin? Zusammenhänge, die dich an Grenzen führen, Grenzen der Kraft, der Erwartungen, Grenzen des Miteinanders mit oder ohne erkennbare Schuld – eben einfach zum Davonlaufen!
Für mich ist die Geschichte der Hagar einerseits chaotisch und dramatisch, aber andererseits sehr realistisch und tröstlich. Mittendrin in dieser Geschichte, die zumindest von Sarah und Abraham her Gott übersieht, sieht Gott, was geschieht. Gott sieht Hagar in ihrer Not und schickt ihr einen Engel in die Wüste, wohin sie geflohen ist. Gott spricht so mit ihr, hört ihr zu und das tut ihr gut.
So kann sie am Ende sagen: „Du bist ein Gott, der mich sieht!“
Und noch eine erstaunliche Wendung nimmt die Geschichte für mich: Gott schickt Hagar sogar zurück, dahin, woher sie doch gerade geflohen ist. Ich musste hier auch denken: Wie oft ist es so, dass wir eben nicht so einfach entfliehen können, oder selbst wenn wir es tun würden, sich davon ja die Gegebenheiten nicht sofort ändern würden?
Wie gut ist es zu wissen, dass Gott mich sieht – ganz gleich wie es mir geht! Und dass ich zu ihm kommen kann, er zuhört und mich sicher versteht. Egal, ob Stolz, Schuld oder einfach nur Verzagen mich an die Grenzen geführt haben. Ich wünsche uns nicht nur in diesem neuen Jahr, aber dass wir gerade in den Lebenskrisen Gottes Nähe erfahren dürfen, auf ihn aufsehen dürfen, der uns sieht, weil er uns geschaffen hat, kennt und liebt. Und weil er uns seine Nähe, Hoffnung und Kraft zuspricht, an noch vielen anderen Stellen in seinem Wort:
„Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken!“ Das ist nur ein Zuspruch von Jesus, der mir da gleich dazu in die Gedanken gekommen ist.
Mitte Februar beginnt ja die Passionszeit. Es ist traditionell eine Zeit der Besinnung des Weges von Jesus ans Kreuz! Einem Weg, dem sich Jesus ebenso nicht entzogen hat, einem Weg, auf dem Gott, der Vater, Jesus, seinen Sohn, gesehen, ihn immer wieder gestärkt und durchgetragen hat. Am Ende steht die Vergebung der Schuld und das neue Leben. Auch das, weil Gott dich und mich sieht!
Und damit wir aus diesem Weg und Sieg von Jesus über die Grenzen dieser Welt in unserem Alltag leben dürfen. Vielleicht nimmst du dir ja in den Passionswochen einmal die Zeit, besonders die Bibelworte zu suchen, die dir Gottes Zuspruch verdeutlichen. Ich wünsche dir viel Gewinn auf dieser Suche, nach dem Gott, der dich sieht!
Mit den besten Grüßen
Ihr/ euer Pfr. Frank Dregennus